Zugreisen habe ich schon immer gemocht.
Ich konnte nie verstehen, warum andere Menschen darüber klagen, stundenlang in einem Zug sitzen zu müssen, es als Zeitverschwendung ansehen. Ich empfinde es als genau das Gegenteil. Mit dem Zug zu reisen gibt mir Zeit. Während ich hier am Fenster sitze und draußen die Welt an mir vorbeizieht, sich Landschaften unentwegt ändern, habe ich das Gefühl für nichts verantwortlich zu sein. Gerade sowieso nichts ändern zu können.
Raum für mich. Einfach sein dürfen, anstatt ständig tun müssen.
Im Zug bin ich bei mir. Lasse meinen Gedanken Zeit sich auszubreiten, den Freiraum sich nicht verdrängen zu lassen. Manchmal formen sie Ideen und Pläne, die ich danach wieder verwerfen kann. Wenn ich will. Manchmal führen sie mich zurück in die Vergangenheit, stochern in süßen und bitteren Erinnerungen. Oder ich träume einfach vor mich hin, verliere mich in unbekannten, geheimnisvollen Welten und endlosen Möglichkeiten. Und oft beginne ich dabei zu Schreiben.
Je weiter ich fahre, desto näher komme ich mir selbst. Die Tatsache, dass ich mich fortbewege und dennoch stillstehe, lässt das berauschende Gefühl von Freiheit durch meine Zellen strömen. Ein Gefühl, das ich zum Leben brauche wie Luft und Wasser.
Ja, Zug fahren bedeutet für mich frei sein.
*Note: Dieser Text wurde im Februar 2020 geschrieben. Seitdem entstehen immer mal wieder Texte „Im Zug“.